Futsal-Entwicklungsbericht 2022: Oben Glanz, unten Not

Schwierige Corona-Jahre

Wie allen Sportarten in Deutschland mussten auch die Futsal-Verbände und Futsal-Vereine die eigene Sportart irgendwie durch eine zweijährige Pandemie führen. Diese Zeit ist und war disruptiv in vielen Bereichen des Sports und hat und wird den Futsal-Sport nachhaltig verändern. Zwei Jahre bedeutete aber auch viel Zeit für positive Projekte und Entwicklungen. Wir möchten daher auf die Futsal-Entwicklung der letzten 12 Monate zurückblicken und die Entwicklung des deutschen Futsals analysieren. „In a nutshell“: In der Spitze gibt es tolle Entwicklungen, aber die Basis ist in einer absolut prekären Situation und gefährdet somit eine weitere positive Entwicklung – auch in der Spitze.

Ein Jahr voller Chancen – besonders in der Spitze

Was haben wir in den vergangenen 12 Monaten nicht alles für tolle Futsal-Events und Futsal-Entwicklungen im deutschen Futsal gesehen. Auf Ebene der Auswahlmannschaftgen ist die Erweiterung des Mitarbeiterstabes um Marcel Loosveld hervorheben. Auch waren in den Spielen unserer Futsal-5 positive spielerische Entwicklungen zu beobachten und neue junge Spieler wie Suad Ak haben uns erfreut. Ebenfalls ein wichtiger Schritt war die Etablierung der Futsal-Jugend-Stützpunkte zur Sicherung und Förderung neuer Talente. Sogar erste Schritte für die Gründung einer Frauen-Nationalmannschaft wurden unternommen. Weiterhin positiv zu erwähnen ist die erstmalige Durchführung der Futsal-B-Lizenz, um die Trainerqualität in Deutschland weiter auszubauen.

Auf Ebene der Vereine konnte uns das letzte Jahr zunächst mit einem spannenden Kampf um die deutsche Meisterschaft im Block-Turnier als auch die Relegationsspiele als Block-Turnier dank tollen Livestreams erfreuen. Weiter ging es mit dem Start der Futsal-Bundesliga. Die Einführung der neuen Liga hat gezeigt, dass dieser Schritt einen unglaublichen Zuwachs an spielerischem Potenziales nach Deutschland gebracht hat. Durch eine steigende Anzahl von Live-Streams wurde Zusehens auch der passive Konsum der Bundesliga-Spiele möglich. Im Durchschnitt sind – trotz Corona-Einschränkungen – ca. 120 Zuschauer pro Spiel in den Hallen, was deutlich über dem Durchschnitt vor der Bundesliga liegt.

Im Jugendbereich ist es eine Augenweide, wenn vermehrt Jugendteams vorn und während der Bundersliga-Partien mit dem Futsal-Ball spielen. Immer mehr Kinder kommen somit in den Kontakt mit unserer Sportart was eine tolle Entwicklung ist. Besonders die Clubs Hot 05 Futsal, Jahn Regensburg, Holzpfosten Schwerte, Futsal Panthers Köln und Fortuna Düsseldorf zeigten in diesem Bereich in den letzten Monaten tolle Entwicklungen. Ebenso ist die Anzahl von Schulsport-Futsal-AGs und Lehrern die Futsal in die Pflicht-Schulsportstunden integrieren steigend.

Die andere Seite der Medaille: Starke Schrumpfung in der Futsal-Breite

Den tollen und wichtigen Errungenschaften des deutschen Futsals in den vergangenen 12 Monaten sind jedoch einige besorgniserregende Entwicklungen gegenüber zu stellen.

In der Spitze muss man feststellen, dass lauter nur wenige neue starke junge deutsche Futsal-Spieler den Weg in die Nationalmannschaft gefunden haben. Der Lockruf des Fußball-Geldes ist weiterhin hoch (z. B. Fall Elias Saad) und in den Vereinen ist die Anzahl der Legionäre – wie erwartet – sehr hoch, sodass deutsche Spieler kaum gefördert werden. Mit der Pleite von 1894 Berlin startete die Bundesliga leider von Beginn an mit einem Skandal. Es zeigte sich, dass die Kosten- und Organisationsstrukturen einer Bundesliga enorm sind und somit der Sprung aus den Regionalliga in die Bundesliga gut geplant sein müssen. Einen leicht enttäuschenden Beigeschmack hatte zudem die Futsal-B-Lizenz Organisation, da die Seminare zahlreiche Lehrgangstage in Präsenz unterhalb der Woche vorsehen und somit zahlreichen aktuellen ehrenamtlichen Trainer eine Teilnahme rein zeit-logistisch unmöglich gemacht wurde.

Während in der Nationalmannschaft und der Bundesliga die meisten Entwicklungen im letzten Jahr zu identifizieren sind, wird einem mit Blick auf den Unterbau katastrophal. Aufgrund der Pandemie haben wir in Deutschland innerhalb eines Jahres 21% der Futsal-Teams und 23% der Clubs in Deutschland verloren (siehe Grafik 1 und Grafik 2, alle aktiven Clubs in Ligen ohne Rückzüge zum 20.03.2022). Der größere Einbruch von Clubs als Team zeigt, dass der Verlust etwas stärker von kompletten Club-Rückzügen statt von Rückzügen von Reserveteams resultiert. Mit 129 aktiven Futsal-Teams sind wir auf das Niveau von 2014/2015 zurückgefallen. Weniger als 109 Futsal-Clubs hatten wir zuletzt 2013/2014 in Deutschland. Größere Verluste an Teams wurden in Hessen, Berlin und Westfalen beobachtet. Hatte Berlin 2013/2014 noch 36 Teams unterhalb der Regionalliga, sind es heuten nur noch 6. Eine Übersicht der verschwundenen Clubs in den letzten Monaten gibt es hier: https://misterfutsal.de/futsal-club-ubersicht/

Vor allem die Ligen in Hessen und Niedersachsen hatten mit großen Widerständen in den Landesverbänden zu kämpfen, was zur weiteren Zurückhaltung bei Teams beigetragen hat. Die meisten Futsal-Teams gibt es auch dieses Jahr wieder in der Region West. Mit blick auf die Landesverbände, beherbergt der Fußballverband Niederrhein die meisten Futsal-Teams und Clubs.

Ausblick

So berauschend auch die Entwicklungen auf Ebene der Auswahlmannschaften und Bundesliga in den letzten 12 Monaten war, desto desaströser ist die Entwicklung der Futsal-Basis. Hier sollte der DFB unbedingt in einen schnellen Dialog mit den Landesverbänden gehen. Ohne eine Breite Vereinsbasis wird die Etablierung von Jugendspielbetrieb als auch der Entwicklung neuer Futsal-Talente in den kommenden Jahren ausbleiben. Wir sagen es an dieser Stelle noch etwas deutlicher: es ist schon 5 nach 12!!!!! ES MUSS GEHANDELT werden, um den Futsal in Deutschland langfristig zu etablieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Futsal-Bundesliga spätestens nach der EM 2024 nicht mehr vom DFB finanziert und organisiert wird.

Grafik 1
Grafik 2

Berichte der letzten Jahre

3 Kommentare

  1. Das kommt nicht überraschend. Die ganze Entwicklungsplanung von oben nach unten kann nicht funktionieren, wenn nicht exorbitant Geld zur Verfügung gestellt wird. Und dies wird nicht gemacht! Die Basis wird links liegengelassen. Für die meisten derzeitigen wenigen Spitzenclubs macht die Bundesliga Sinn. Für den Rest, der auch als solcher betrachtet wird, bringt es nichts und die Attraktivität der Ligen darunter sinkt bzw. die Ligen sterben mangels Masse. Kein Kronleuchter ohne kleine Lichter! Die kleinen Lichter werden vernachlässigt, niemand fördert sie, wenigen bis keiner in den Verbänden hat Lust darauf. FUTSAL wird immer noch als Konkurrenz zum Fußball gesehen. Die Pandemie verschärfte dies alles noch, wqs den vielen Nichtförderern auch noch gut in die Farbe passt. Die vermeintliche Spitzenförderung ist auch nur halbherzig. Die hochgelobte Bundesliga ist ein elitärer Club, der im eigenen Wasser verkochen wird und ums Überleben kämpft. Jugendförderung findet realistisch gesehen nicht statt. Die Hallenwettbewerbe mit Deutschen Meisterschaften im Juniorenbereich finden seit Jahren nicht mehr kontinuierlich statt, was auch der Pandemie zugeschoben wurde. Damit sind Anreize für die Basis weg überhaupt FUTSAL zu spielen. Keine Auswahlspieler mehr, keine Landesauswahlen mehr, keine Landesmeisterschaften, keine Regionalmeisterschaften mehr und von einem Ligasystem, das funktionert sind wir meilenweit entfernt. Niedrigste Liga in den meisten Regionen ist die Regionalliga?!?! Klingt vom Namen her toll, ist aber eine riesige, fast unüberwindbare Hürde und Mogelpackung. Willkommen beim Baseball, Football oder Rugby. Welcher kleine Verein soll dies stemmen können? DFB Junioren Stützpunkte ohne Hintergrund irgendeines Spielbetriebs und ohne Basis wahllos und planlos an interessierte Verbände vergeben. Wo sind die Anreize für Spieler FUTSAL zu spielen? Sicherlich ist es der beste Hallensport, den es gibt. Aber genügt dies im Fußballland Deutschland? Nationalspieler sind fußballerisch auf Landesliga oder höchstens Verbandsliganiveau. Was soll sich da entwickeln? Wo sollen da Vorbilder und Idole in der Öffentlichkeit entstehen, um Werbung zu machen und Begeisterung zu wecken? Wie soll da Erfolg für eine Nationalmannschaft wachsen? Wir benötigen Basisförderung mit Herzblut, positive Werbung und Informationen mit Anreizen und finanziellen Mitteln für die unterste Basis. Attraktive Wettbewerbe über Landesauswahlen und Spielbetrieb bis hin zu Deutschen Meisterschaften im Juniorenbereich sind nötig, gute Trainerausbildung an der Basis. Futsal ist keine Konkurrenz zum Fußball, sondern eine sinnvolle Ergänzung und Erweiterung des Portfolios zum Wohle unserer Vereine und der fußorientierten Ballsportart. Das muss die Nachricht an alle sein. Jeder Verein in Deutschland braucht das Angebot Fußball und FUTSAL spielen zu können, um sich gegen alle anderen Mannschaftssportarten noch besser zu positionieren!

    1. Hallo Dirk. Danke, für deine ausführliche Sicht. Vielen könnte man genauso in den Text übernehmen. Wichtigster Punkt ist „Konkurrenz zum Fussball“. Die Landesverbände könnten den Futsal so perfekt als Alternative für Mannschaften kommunizieren, welche keine 11 Spieler mehr zusammen bekommen. Anstatt aufzulösen spielt man eben Futsal. Auch in den Vereinen könnten der Mehrwert der Futsal-Ausbildung für Spieler und Kinder mehr erkennt werden

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