Vor zwei Jahren haben wir uns schon einmal mit der Entwicklung von Futsalteams und Futsalclubs in Deutschland beschäftigt. Damals noch mit einem eher ernüchternd Fazit: vom Futsal-Boom keine Spur. Das Futsalwachstum stagnierte.
Seitdem ist wieder viel passiert in Futsal-Deutschland. Durch den konstanten Auftritt der deutschen Futsalnationalmannschaft ist Futsal immerhin öfter in den Medien vertreten. Auch Liveübertragungen und die Bereitstellung von Videohighlights durch einzelne Vereine via Facebook, Fupa, Sportdeutschland und Co. hat zugenommen. Im DFB gibt es eine spezialisierte Abteilung mit aktiver Futsalerfahrung sowie eine eigene Futsal-Kommission. Zudem finden immer mehr ehemalige professionelle Fußballspieler wie Philipp Wollscheid oder Manuel Fischer den Weg in die deutschen Hallen. Diese Spieler wirken auch direkt als Multiplikatoren und bringen weitere bekannte Gesichter wie Cacao oder Mario Gomez mit dem deutschen Futsal in Verbindung. Auch der DFB hat durch die Schaffung der Futsalstützpunkte in den vergangenen Wochen und Monaten die Basisstruktur des Futsalsports bereichert. In Hamburg hat man sogar bereits eine erste U19 Liga etabliert und in Regensburg werden ebenfalls zahlreiche Jugendprojekte umgesetzt. Zur Saison 2019/2020 sieht es ferner gut aus, dass mit der Regionalliga Südwest eine weitere Liga implementiert wird. Sieben Teams (u.a. TSG Bretzenheim, aktuell Hessen) stehen nach unseren Informationen dafür in den „Startlöchern“.
Datenerhebung
Basierend auf diesen positiven Impulsen und Strukturentwicklungen der vergangenen zwei Jahre, könnte auch Anzahl von Futsalteams in regelmäßigen Wettbewerben gestiegen sein. Um dieser Vermutung nachzugehen, haben wir uns die Entwicklung der Teams (inkl. Reservteams) und Clubs (Vereine mit min. einem Team) erneut angeschaut. Erfasst wurden alle Teams und Clubs, welche an einer min. drei monatigen Futsalliga partizipiert haben. In Verbänden ohne Futsalligen wurden zudem reine Futsalclubs erfasst. Die aktuelle Erhebung weicht leicht von der 2017er Erhebung ab, da damals noch nachträgliche Ligen organisiert werden konnten.
Entsprechend vorangehender Tabelle, zählen wir aktuell in Deutschland 166 Futsalteams von 143 verschiedenen Vereinen. 23 Teams sind also Reserveteams. Während im Regionalverband West die meisten Teams je Verband spielen (49), spielen im Verband Süd die meisten Clubs je Regionalverband (43). Der Vorsprung von West beruht daher alleine auf Reserveteams wie Futsal Panthers 2 oder Wuppertaler SV 3. Wie den Zahlen aus den einzelnen Verbänden zu entnehmen, stellen die Verbände Niederrhein, Berlin und Hessen (inkl. Regionalligateams) aktuell die meisten Futsalteams, wobei gerade in Berlin und am Niederrhein zahlreiche Reserveteams zu finden sind. Zudem gibt es einige zusätzliche Bezirks-und Kreisligen in Bayern (ausgenommen Bezirksliga Oberbayern), welche jedoch sehr undurchsichtige Modi spielen und auch stark wechselnde Teilnehmer ausweisen.
Bei Betrachtung der Entwicklung der Anzahl der Futsalteams und Futsalclubs, fällt besonders der starke Anstieg in den Jahren 2013 bis 2015 auf. Diese Entwicklung war primär getrieben durch die Entwicklungen in Westfalen, Niedersachsen und Bayern. Seit 2016 stagniert die Entwicklung. Obwohl in den letzten beiden Jahren neue Ligen in Thüringen und Sachsen entstanden sind, so haben sich in Württemberg, Hamburg und Berlin Ligen aufgelöst (Hamburg jedoch mit einer U19 Liga). In Baden konnte man nach zwei mageren Jahren nun endlich wieder einen Ligabetrieb organisieren. Besonders Berlin hat von 2011 (damals noch mit Zulassung von Uniteams) bis 2019 den stärksten Verlust an Futsalteams und Futsalclubs auszuweisen.
Der Blick auf die reinen Wachstumsraten vermittelt ein besonders düsteres Bild. Im Gegensatz zur noch positiven Entwicklung bei den Futsalvereinen (+1%), zeigen die Daten ein Minus von 2% an Futsalteams von 2017 auf 2018. Von „Boom-Zeiten“ wie 2014 und 2015 (+18%/+22%) ist Futsal-Deutschland aktuell weit entfernt – schlimmer noch, die Anzahl an Futsalteams sinkt.
Ursachen
Entgegen den eingangs diskutierten positiven Impulsen, scheint sich also die zunehmende Wahrnehmung von Futsal nicht ohne weiteres in tatsächliche Futsalpartizipation transformieren zu lassen. Eine totale Aufklärung dieses „Transformationsstaus“ ist sicherlich an dieser Stelle kaum möglich. Einige potenzielle Treiber sind jedoch naheliegend
Eine Ursache für die „Ausbremsung“ sind sicherlich die knappen Hallenressourcen in Deutschland. Selbst wenn sich ein paar Freunde gerne als Team engagieren möchten, verfliegt die erste Motivation schnell, wenn keine Trainingsmöglichkeiten bereitstehen. Zudem gibt es in einigen bestehenden Vereinen Nachfrage nach weiteren Reserveteams, jedoch müssen die Clubs zu oft absagen, weil Kommunen keine weiteren Hallenzeiten frei geben können und Trainingseinheiten mit mehr als 16 Spielern auch nur noch wenig zielführend sind.
In ähnlicher Weise verhält es sich mit fehlendem Trainerressourcen. Oft agieren weiterhin Spieler selbst als Trainer oder Trainer sind privat mit der Betreuung einer Mannschaft ausgelastet. Infolgedessen, bestehen zu oft noch – selbst bei zusätzlichen Hallenzeiten – zu hohe Defizite bei der quantitativen Anzahl von Ehrenämtlern. Auch zusätzliches Engagement in der Jugendausbildung erscheint durch die zeitliche Auslastung der Trainer durch die Seniorenteams aktuell in weiter Ferne. Helfen könnten in diesem Punkt ein einheitliches Trainerlizenzsystem, welches jedoch deutlich schlanker und kostengünstiger als die Fußballäquivalente konzipiert sein sollte, um die Einstiegshürden niedrig zu halten.
Weitere Gründe sind die hohen Kosten eines Ligabetriebs, da die Entfernungen zwischen den Teams – aufgrund der geringen Anzahl von Teams – zu groß sind. Auch Schiedsrichtergebühren liegen bei teilweise 75 Euro pro Spiel und Team. Zeiteinsatz und direkte Kosten schrecken dann einfach zu stark vor einer Team- oder Vereinsgründung ab. Die bürokratischen Anforderungen (und Kosten) für ein offizielles Passwesen wirken gerade auf kleinere Hobbyteams abschreckend (siehe Entwicklung Berlin).
Auch können Vereine den Verlust von Spielern (besonders nach Abstiegen) nur schwer kompensieren, da es bisher nur wenige Jugendmannschaften gibt und Jugendliche erst ab 18 (älterer A-Jugend-Jahrgang) im Seniorenligabetrieb mitspielen dürfen. Im Gegensatz zum Fußball kommt verschärfend hinzu, dass einmal verlorene Spieler oft dem ganzen Futsalsystem verloren gehen, da es im Umkreis von 20km oder mehr in der Regel nur einen Verein gibt. Ein Spielerwechsel lässt sich daher häufig nur mit einer Neuakquise kompensieren, welche jedoch sehr aufwendig und stark vom Zufall geprägt ist. Jeder Spielerverlust wiegt also doppelt schwer.
Maßnahmen
Infolge stellt sich also die Frage, mit welchen Maßnahmen DFB und Landesverbände das gesteigerte mediale Interesse auch in eine reale Steigerung der aktiven Futsalteilnahme übersetzt werden könnte. Denkbar wäre z. B. Die Vermeidung von Auf-und Abstiegen unterhalb der Regionalligen, um den Abgang von Spielern zu minimieren. Weiterhin würde die Reduzierung des Mindestalters auf 16 Jahre und die Lockerung von Bürokratie (Passwesen) den potenziellen Spielerpool deutlich erweitern.
Die Übernahme von Schiedsrichterkosten durch die Landesverbände könnte die Eintrittsbarriere von Vereinen senken. Konkrete Anreize für den Aufbau von Jugendteams könnten mittelfristig einen konstanten Spielerzufluss bringen. Denkbaren wären hier monetäre Anreize (z. B. Einmalzahlung, Übernahme von Schiedsrichtergebühren aller Senioren- und Jugendteams), damit die Teams die Zeit der Sponsorensuche lieber in den Aufbau von Jugendteams investieren. Aber auch nicht monetäre Anreize wie Bonuspunkte im Spielbetrieb der Senioren für die Unterhaltung eines Jugendteams könnten in diesem Punkt fruchtbar sein.
Um die Problematik der Hallenkapazitäten zu lösen, könnten auf unterster Verbandsebene alternative Räumlichkeiten wie Outdoorfelder, Soccerhallen oder kleineren Turnhallen erlaubt werden, um Teams überhaupt erst einmal in einen regelmäßigen Ligabetrieb zu organisieren. Nach 1 oder 2 Jahren stellen Kommunen bei nachhaltigem Spielbetrieb und regelmäßigen Anfragen oftmals dann eine Hallenzeit zur Verfügung.
Fazit
Leider herrscht weiterhin Stagnation und teilweise Schrumpfung im organisierten Futsalligabetrieb in Deutschland. Jedoch erobert sich der Futsal immer weiter Bekanntheit und mediale Präsenz und Strukturen reichern sich an. Mit einigen (kleinen) strukturellen Änderungen auf Ebene des DFB und der Landesverbände könnte die Transformation von öffentlichem Interesses in tatsächliche Ausübung angekurbelt werden. Hier sollten beiden Gruppen verstärkt gedanklich Weg von der Organisation einer Fussballliga und hin zur Entwicklung einer der Wachstumssportart angepassten Wettbewerbsphilosophie- und struktur. Ohne entsprechenden Unterbau, dürfte die Einführung einer Bundesliga 2021 auch primär eine Plattform für ausländische Profispieler werden.
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