Nachdem der deutsche Futsal seit seinem statistischen Zenit im Jahr 2020 (180 Teams von 151 Clubs) eine dramatische Abwärtsspirale erlebte, die ihren Tiefpunkt im Jahr 2024 mit lediglich 107 gemeldeten Teams von 84 Clubs erreichte, zeigen die aktuellen Zahlen für 2026 eine lang ersehnte Trendwende. Mit einem Zuwachs auf 115 Teams (+6 % zum Vorjahr) und einer Stabilisierung der Vereinszahlen auf 95 Clubs scheint die Talsohle endgültig durchschritten. Die „Winter-Ligen“/“Hobby-Ligen“ stagnieren seit 2024 und liegen aktuell bei 40 Teams. (Berichte 2024, 2023, 2022, 2021, 2020, 2019)
Die nackten Zahlen: Ein Blick auf die Statistik zeigt Zuwachs
Die Entwicklung der letzten 15 Jahre glich einer Achterbahnfahrt. Im Fokus stehen die Ligen mit DFB-Ganzjahres-Ligen (mehr als 3 Monate Spielzeit, Netto-Spielzeit von 20 mal 20 Minuten). Ferner werfen wir ein Licht auf „Winter-Ligen“ oder „Hobby-Ligen“ (weniger als 3 Monat Spielzeit und/oder nicht die offielle 2×20 Netto-Spielzeit nutzen). Nach der Euphorie der Nationalmannschaftsgründung (2016) und dem Vor-Corona-Hoch folgte eine Phase der Ernüchterung. Der Zuwachs von 2024 auf 2026 (107 auf 115 Teams) mag auf den ersten Blick moderat erscheinen, ist endlich wieder ein positiver Zuwachs in der Deutschen Futsal-Szene (+6% Teams +3% mehr Clubs). Besonders auffällig: Während die Anzahl der Clubs in unorganisierten Hobby-Ligen abnimmt, verzeichnen wir einen Anstieg bei Teams und Clubs im offiziellen Regel-Spielbetrieb. Das deutet auf eine zunehmende Professionalisierung und Vereinsbindung hin.


Der „Influencer-Effekt“: Baller und Icon League als Katalysatoren
Es stellt sich die Frage, was die Trend-Umkehr bewirkt hat. Wir haben einige Thesen. Ein wesentliches Argument für das aktuelle Wachstum könnte die veränderte Wahrnehmung des Sports in der breiten Öffentlichkeit darstellen. In diesem Zusammenhang besteht die Annahme, dass vor allem die massive Präsenz der sogenannten Influencer-Ligen, allen voran die Baller League und die Icon League, eine völlig neue Zielgruppe für den Futsal erschlossen hat.
Hierbei spielen insbesondere zwei Faktoren eine entscheidende Rolle, die maßgeblich zur positiven Entwicklung beigetragen haben. Zum einen fungiert die spezifische Futsal-Expertise als ein klares Alleinstellungsmerkmal, da in diesen modernen Kleinfeld-Formaten mehrheitlich aktive oder ehemalige Futsal-Nationalspieler durch ihre technische Überlegenheit, ihre außergewöhnliche Handlungsschnelligkeit und ihr taktisches Verständnis auf engstem Raum herausstechen. Besonders Memos Sözer und Suad Ak haben sportlich extrem überzeugend abgeliefert und begeistert. Die Zuschauer erleben dadurch unmittelbar, dass diese speziellen Futsal-Fertigkeiten den eigentlichen Schlüssel zum sportlichen Erfolg darstellen.
Zum anderen sorgt die enorme mediale Reichweite dieser Ligen für eine bisher ungekannte Sichtbarkeit, durch welche klassische Futsal-Elemente wie die Sohlenkontrolle, die strategische Blockbildung oder der fliegende Wechsel den Weg in den sportlichen Mainstream gefunden haben und die Attraktivität der Sportart nachhaltig unterstreichen.
Strukturelle Säulen: U19-Stützpunkte, Nationalmannschaft und mehr Livestreams
Flankiert wird dieser externe Impuls durch die interne Verbandstätigkeit. Die flächendeckende Etablierung der U19-Futsal-Stützpunkte beginnt nun, Früchte zu tragen. Junge Spieler, die in den Stützpunkten technisch exzellent ausgebildet werden, drängen in die Herren-Regionalligen und die Futsal-Bundesliga.
Gleichzeitig sorgt die konstante Präsenz der Futsal-Nationalmannschaft für eine notwendige Leuchtturmwirkung. Die Spiele der Futsal-Nationalmannschaft waren 2024 und 2025 durchweg sehr gut besucht und es gab stets einen kostenlosen Livestream. Die Identifikation mit den Top-Spielern, die man am Montagabend im Livestream der Baller League sieht und am Wochenende im Nationaltrikot, schafft eine neue Form der Fan-Bindung und Motivation für Nachwuchsspieler.
Auch das verstärkte Angebot von Livestreams durch die Futsal-Bundesligisten als auch verzeinzelte Regionalligisten dürften dem Futsal helfen. Besonders der Stream vom TSV Weilimdorf ist technisch als auch inhaltlich extrem gut und auf Profi-Niveau. Auch Hohenstein-Ernstthal und Bielefeld sind hier hervorzuheben. Wichtig ist, dass nun alle Bundesligisten einen Stream anbieten, wenn auch nicht alle mit Kommentator und komplett professionellem Layout. Mit dem Wuppertaler SV hat seit der aktuellen Saison sogar ein Club aus der Regionalliga aufgeholt und stream live über YouTube. Alle Streams der Futsal-Bundesliga sind leider weiterhin bei Sporteurope.tv (ehemals Sportdeutschland.tv) gehostet und schwierig aufwindbar und somit teilbar.
Fazit: Zeit für eine Symbiose
Der deutsche Futsal steht 2026 an einem Scheideweg. Das Wachstum ist zurück, aber es ist noch zart. Um den Schwung beizubehalten, muss der DFB umdenken. Es darf kein „Wir gegen Die“ zwischen dem klassischen Futsal-Spielbetrieb und den Influencer-Ligen geben. Der DFB und insbesondere Futsal-Nationaltrainer Marcel Loosveld sollten aktiv die Symbiose zwischen dem organisierten Futsal und den Influencer-Fußball-Ligen suchen. Denkbar könnten auch Formate mit anderen Sportarten , wie Basketball oder Handball, nach dem Vorbild der neuen „The League Group“ aus den USA sein.
Die Baller- und Icon-League fungieren als Marketing-Maschinen, während der DFB die sportliche Heimat und die Ausbildung bietet. Wenn es gelingt, die Protagonisten dieser Ligen noch stärker als Botschafter für den „echten“ Futsal zu gewinnen, könnte der Bericht 2027 nicht mehr nur von einer erreichten Talsohle, sondern von einem neuen Höhenflug sprechen.
Um mehr Reichweite für die Livestreams der Futsal-Bundesliga zu generieren, könnte sich der DFB endlich von sporteurope.tv lösen und über YouTube und/oder Twitch streamen lassen.