von Futsaleconomist
Für eine Wachstumssportart gelten besondere Regeln, denn das Ziel ist die Vergrößerung der aktiven Basis anstatt die Erhaltung und Optimierung wie bei etablierten Sportarten. Dabei ist besonders zu beachten, dass zu Beginn die Anzahl der aktiven Sportler die Anzahl der reinen Fans übersteigt. Ligaspiele finden daher oftmals über Jahre hinweg von einer geringen Kulisse (oft Familie und Freunde) statt, bis eine Generation von Spielern nur noch passiv agiert und folglich als Fans auftritt. Eine Generation – das sind ca. 20 Jahre im deutschen Futsal, angenommen, dass ein Spieler ohne Probleme bis 35-40 im Futsalligabetrieb mitspielen kann. Außerdem sind aufgrund des geringen Fan-Interesses Ligastrukturen fragil und nach einer sportlich enttäuschenden Saison kommt es sehr oft zur Auflösung von Mannschaften, da es eben keine Fankultur gibt, welche den Fortbestand des Teams unterstützt. Da in Futsal-Deutschland gerade erst einmal gute 5 Jahre mit mehr als 50 Clubs vergangen sind, gibt es daher weiterhin wenige reine „Fans“, da alle interessierten noch auf dem Paket stehen.
Um einen Wachstumssport wie Futsal daher zu stabiliseren und langfristig Fan-Leidenschaft entstehen zu lassen, sind die strategischen Organisatoren (DFB und Landesverbände) aufgerufen, behutsam zu agieren und mit der kleinen Community im Austausch zu stehen. Das Ziel muss die langfristige Etablierung sein, weshalb die Sportart in den Anfangsjahren Stück für Stück entwickelt und gefördert werden muss. Entscheidend sind dabei vorallem Schlüsselevents. Dies sind Veranstaltungen, welche die aktiven Akteure zusammenbringen, die Community zur Diskussion anregen und somit langsam die Fanbasis ausbauen. Derartige Events sind bisher der Futsal-Länderpokal und das Finale der deutschen Futsal-Meisterschaft, welche mit größer Reichweite in der Community die Leidenschaft fördertn und neue Fans „anstecken“. Auch in anderen Nationen haben derartige Schlüsselevents gewirkt. In Spanien konnte mit dem Gewinn der Futsal-Weltmeisterschaft 2000 ein wahrer Futsal-Boom entstehen. In Frankreich war es ein Futsalspiel von alten Fußballstars.
Jedoch können solche Events – falsch vermarktet und organisiert – auch zu einem gegenteiligen Effekt führen: Enttäuschung über die aktuelle Entwicklung. So wirkte die Inszenierung des Länderspiels (Spieler spielen im Trikot der Nationalmannschaft) 2011 am Nürburgring gegen Kroatien wie eine Farce. Obwohl zum damiligen Zeitpunkt nur 4 aktive Ligen mit ca. 30 Clubs existierten (ca. 600 aktive), wählte der DFB eine Arena mit 1500 Zuschauerplätzen inklusive eines befremdlich wirkenden V.I.P. Bereichs. Am Ende verlor Deutschland 11:1 und in der Halle fanden sich vielleicht 200 Zuschauer ein. Ein sportliches und organisatorisches Desaster, welches den deutschen Futsal in der öffentlichen Wahrnehmung zurückwarf. Auch die Idee einer regelmäßigen Nationalmannschaft wurde verworfen.
In der Folgezeit agierte der DFB behutsamer. Durch langsame und defensive Vermarktung des Länderpokals und der deutschen Meisterschaft konnte sich die Leidenschaft in Deutschland vergrößern. 5 Jahre nach dem „Desaster vom Nürburgring“ wagt es der DFB nun das fünfte (nach Polen, Kroatien, Dänemark, Georgien) nun aber wirklich erste offizielle Länderspiel auszutragen. Der Futsal hat sich in der Anzahl der Teams und Ligen verdoppelt bzw. verdreifacht. Schätzungsweise existieren aktuell 200-300 Futsalteams mit ca. 2000 aktiven Spielern in Deutschland. Grundsätzlich sollte man daher bei der Planung des Länderspiels von deutlich verbesserten Bedingungen ausgehen. Zu bedenken ist jedoch, dass sich hinsichtlich der ökonomischen Basis kaum etwas verändert hat. 95% der aktuellen Futsalligaspiele locken weiterhin nur Familie und Freunde, was zu durchschnittlichen Besuchszahlen von 5-40 führt. Alle Clubs sind weiterhin Amateurclubs. Monetäre Entlohnung von Spielern findet nicht statt. Die Anzahl der wirklich Futsal interessierten Fans in Deutschland (regelmäßiges verfolgen der deutschen Ligen und internatinaler Wettbewerbe) kann auf vielleicht 500 beschränkt werden. Jedoch wären gerade diese doch die Zielgruppe für ein Länderspiel?! Weiterhin von zentraler Bedeutung: Eintrittspreise sind weiterhin die Ausnahme. Die Zahlungsbereitschaft für Futsal ist daher minimal.
Bedenkt man die damit ähnliche ökonomische Ausgangssituation zu 2011 und die Bedeutung des Länderspiels als wegweisendes Schlüsselevent, wird klar: es muss ein Erfolg werden. Um als Multiplikator zu wirken wäre es daher wichtig, ein Spektakel zu inszenieren. Neben Musik, Showeinlagen und sportlicher Qualität ist dafür eins wichtig: Zuschauer und Stimmung! In Anbetracht der geringen Zahlungsbereitschaft in den Ligen, wenig hochinteressierten Fans und geringen „Ultras“ mit Trommeln und Gesang, wäre rein objektiv-ökonomisch betrachtet folgende Voraussetzungen passend: geringe Eintrittsbarrieren (Preise und Entfernungen), kleinere Halle welche mit großer Wahrscheinlichkeit komplett besetzt sein wird und die aktive Einbindung von „Stimmungsmachern“. Nichts wäre fataler als eine halbbesetzte Halle mit still konsumierendem Publikum. Ausgehend von international etablierten Preisen für das günstigste Ticket [bei der Europameisterschaften (3€ in Serbien, 5€ Belgien) oder Ligaspiele von Top-Teams in Europa ( Barcelona 9€, Sporting Lissabon 5 €) oder in der Elite Runde des UEFA Futsal Cups (Inter Movistar 5€)], den durchschnittlichen Ticketpreisen in deutschen Ligen (0€), den durchschnittlichen Besuchern bei Top-Spielen in Deutschland (200) und der Stadt mit den meisten Clubs in 100km Umkreis wären folgende Voraussetzungen überzeugend gewesen (bei Verständnis für die Besonderheiten und Anforderungen an eine Wachstumssportart): Halle max. 1000 Zuschauer, im Ruhrgebiet (Einzugsbereich FVN, Westfalen, Mittelrhein) , Preis kostenlos max. 2€, Organisation eines „Ultra-Fan-Clubs“ mit Trommlern eines Futsal-Clubs (z.B. Schwerte, weshalb Dortmund ein perfekter Ort gewesen wäre).
Überraschender Weise, agiert der DFB jedoch völlig entgegengesetzt. Es wird eine Halle mit 3000 Zuschauern angemietet, in Hamburg (Einzugskreis 100km ca. lediglich 30 Vereine). Obwohl dies bereits schon eher Dimensionen für ein etabliertes Event sind, sind die Preise völlig unverständlich. Bei 3000 Plätze wäre nur kostenfreier Eintritt zu raten gewesen, wenn die Halle voll sein soll. Jedoch werden Preise über europäischen Durchschnitt für die billigste Karte gesetzt. Ein minimales Kontingent für Stehplätze ist für 4€ zu haben, was vielleicht ökonomisch motiviert sein könnte. Absolut außerhalb jeglicher Nachfragefunktion erscheinen in Anbetracht der zuvor erörterten Voraussetzungen in Deutschland Tickets für durchschnittlich 14€!!! Sogar Rollstuhlfahrer zaheln 12€! Darüber hinaus gibt es einen VIP-Bereich für 100€!!!! Würde man diese Zahlen einem Futsalkenner blanko geben, wäre dieser sicherlich die Meinungen, dass maximal beim FC Barcelona Lassa im Endspiel um den UEFA Futsal Cup derartige Preise zu erwarten wären. Ein V.I.P-Bereich für 100€ sucht sicherlich auf der ganzen Welt im Futsal nach einem Vergleich. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Anreize nicht denen einer Wachstumssportart entsprechen. Die Zahl der Zuschauerplätze übersteigt sogar die Anzahl der langjährig Aktiven deutlich. Dies wäre so, als wenn ein Länderspiel im Fußballbereich in einem Stadion mit eine Kapazität von 3 Mio. Zuschauern in Passau ausgetragen werden würde, zu einem durchschnittlichen Eintrittspreis von 1000€.
Was ist nun aus diesen Planungen hinsichtlich des Verständnisses von Seite des DFB zu erfahren? Der DFB scheint weder aus dem Desaster vom Nürburgring gelernt noch zu verstehen was die Ansprüche einer Wachstumssportart sind. Die reine Organisation als ein professionelles Fußballevent wirkt nicht zielführend. Entscheidend ist, dass die Sportart wenig reine Fans hat und von hoch intrinsisch motivierten Fan lebt, welche vor allem eins sehen möchten: eine volle Halle und gute Stimmung. Der DFB scheit deshalb die Nachfrage nach Futsal in Deutschland zu über- und die noch nötigen Investments in Zukunft zu unterschätzen. So muss klar sein, dass ein positives Schlüsselevent in der Wachstumsphase einer Sportart nicht ökonomisch positiv geplant werden sollten – es ist normal, dass ein derartiges Event defizitär ist. Es entsteht der Eindruck, dass die Entscheider an entsprechender Stelle nicht in die Futsal-Community eingebunden sind und den Zeitgeist für Futsal weiterhin nicht haben. So wäre es denkbar gewesen, dass Event gemeinsam auf dem Futsal-Länderpokal 2016 mit der Basis gemeinsam zu planen. Mit Sicherheit wären dann folgender Plan in der Mehrheit gewesen: freier Eintritt. Ferner hätte man das Länderspiel mit einer überfälligen offenen Futsal-Tagung verbinden können. Das wirklich größte Signal von Unverständnis für die Lage von Futsal in Deutschland – welches der DFB an die Community einer aktuellen Amateursportart sendet – ist das Angebot eines V.I.P-Bereiches für 100€. Alleine diese Entscheidung zeigt uns: der DFB plant den Amateur-Futsal mit den Augen eines Profi-Fußballer-Promoters. Sollte dies auch für die weitere Entwicklung gelten, könnten wichtige Impulse für eine Wachstumssportart ausbleiben.
Nach allem ist zu hoffen, dass wir falsch liegen und die Zuschauer trotzdem zahlreich erscheinen und das Spiel eine positive Wirkung hat. Für das nächste Länderspiel, ist jedoch zu hoffen, dass der DFB ein realistisches Verständnis für die Ansprüche und Voraussetzungen von Futsal in Deutschland zeigt.
Ich ,bin seit beginn der Futsal liga inBaden bzw Verbandsliga dabei ,schaue mir jetzt als passiver ,noch sehr viele spiele an ,auch in der Regionalliga ,aber verstehen kann ich den DFB nicht ,so ein spiel von der deren bedeutung sehr gross ist ,und nach aussen Futsal vermarkten soll ,in einer grossen halle zu veranstallten bei so hohen Eintrittspreisen ,wer soll dann zuschauen kommen ,
um Futsal besser zu vermarkten (zb.Länderspiel ) sinvoll wäre daher eine gute kleinere Halle und niedrige eintrittspreise (eventuell) auch freien eintritt für jugendliche , so besteht die möglickeit die halle vollzubekommen ,und begeisterung zu schaffen ,nur so kann mann den sport an den neutrallen näherbringen .
Joachim hat vollkommen Recht. in der Tat ein bedenklicher Start, vor allem hinsichtlich des Preis-Vergleiches auf internationalem Top-Niveau. Ohnehin ist es für viele nur schwer verständlich das Hamburg als Standort gewählt wurde, wo die Ursprünge und größten Einzugsgebiete – wie im Artikel angesprochen – doch im Ruhrgebiet liegen. Einfach nur bedauerlich, dass selbst hier der Eindruck erzeugt wird, dass die Futsal-Entwicklung in Deutschland nicht mit dem nötigen Eifer, Engagement und ehrlichem Willen angepackt wird. Die Möglichkeiten wären da etwas zu bewegen, wenn man sieht welche Potentiale ein Verband wie der DFB bietet. Aber ohne Personen mit Herz und Verstand, die den Futsal in Deutschland ernsthaft voranbringen wollen, wird es sehr schwer für die kommenden Jahre.
Finde es absolut schade wie es abläuft. Mich wundert es auch , das Herr Baruta selbst Trainer einer Futsal Mannschaft in der Regionalliga Süd, als Abteilungsleiter des DFB für Futsal nicht dagegen wirkt und es zulässt das so ein wichtiges Event in die falsche Richtung geht. Gerade er bekommt es doch mit, wie schwer es ist für Vereine Publikum und Sponsoren für sich zu gewinnen.
Hoffen wir das die Jungs gegen England gewinnen, und dadurch ein kleiner Boom endsteht.
[…] einiger kritischer Anmerkungen zur Vermarktung des Spiels (https://misterfutsal.de/2016/10/01/was-das-erste-laenderspiel-ueber-das-verstaendnis-des-dfb-von-fut…), muss die gesamte Futsalcommunity dem DFB wirklich für das mediale „Trommelfeuerwerk“ sehr […]