Neugründung vs. Abteilungsgründung im Futsal

Warum die Eingliederung einer Futsal-Mannschaft in einen bestehenden Sportverein einer Neugründung vorzuziehen ist

Die deutsche Futsal-Gemeinschaft unterliegt in den letzten Monaten einem rasanten Wachstum. Dabei gründen bestehende Futsal-Mannschaften jedoch keine zweite oder dritte Mannschaft, sondern das Wachstum wird primär durch Neugründungen voran getrieben. Die Mehrheit der bestehenden Vereine hat sich dabei für die Gründung eines eigenen Vereins entschieden, andere hingegen präferierten die Gründung einer Futsal-Abteilung innerhalb eines bestehenden Vereins. Für alle von euch, die aktuell vor der Gründung stehen oder für diejenigen, die über eine Veränderung (Abteilung -> eigener Club; eigener Club-Abteilung) nachdenken, sollten die nächsten Zeilen daher von höchstem Interesse sein. Gerne möchte ich ein paar Vorteile und Nachteile der beiden Möglichkeiten aufzeigen.

Der grundlegende Punkt, warum sich einige Futsal-Mannschaft für die Eingliederung entschieden haben, ist der Umstand, dass sich von der Eingliederung der Futsal-Mannschaft in einen bestehenden Sportverein verschiedene Vorteile erhofft werden. In der Ökonomie wird dann für einen Verbund zwei bestehender Institutionen argumentiert, wenn sogenannte Verbundvorteile (engl. economies of scope) erwartet werden. Dies sind in insbesondere Kosten- und Umsatzvorteile durch den Zusammenschluss: “There are economies of scope where it is less costly to combine two or more product lines in one firm than to produce them separately” (Panzar & Willig, 1981, S. 268). Einfacher gesagt, beide Institutionen wollen sparen indem sich Kosten geteilt werden oder der Umsatz gesteigert werden kann.

Nun stellt sich die Frage: sind derartige Verbundeffekte bei Sportvereinen möglich? Um das Ergebnis einer aktuellen Studie vorwegzunehmen: Ja, ein Verbund von Sportvereinen lohnt sich durchaus für beide Seiten (Wicker, Breuer, Lamprecht & Fisher, 2013). Es bleibt aber die Frage, warum sich ein Futsalverein/Futsalmannschaft einem Fußballverein, Turnverein oder einem Basketballverein anschließen sollte? Um diese Frage gezielt zu beantworten, bedarf es zunächst einer Einordnung von entscheidenden Faktoren. Ich möchte daher, die in der erwähnten Studie verwendeten Kriterien nutzen, um das Bild für euch verständlicher zu gestalten. Dabei werden finanzielle, strukturelle und personelle Faktoren unterschieden (Wicker et al., 2013).

Finanzielle Faktoren

Beginnend mit der Gründung, fallen direkte Gründungkosten an (Notarkosten, Vereinsregister, Kosten für Mitgliedschaft im Sportbund (HSB, 2014)). Diese könnten bei einer Eingliederung in einen anderen Verein komplett umgangen werden. Des Weiteren entfallen bei einer Eingliederung bestimmte Ausgaben für Anfangsausstattungen für Vorstand und Trainer (z.B. Unterlagen, Software, allg. Trainingsausrüstung). Sportartbezogene Kosten wären in beiden Fällen notwendig (z.B. Futsal-Bälle). Ein großes Problem vieler Futsal-Vereine ist vor allem die Einnahmesituation. Am geläufigsten sind Mitgliedsbeiträge und Sponsoring. Ersteres sollte bei einer eigenen Vereinsgründung geringer ausfallen, da nur grundlegende Kosten gedeckt werden müssen. Hinsichtlich der Sponsoren, bietet die Eingliederung in große, bestehende Vereine einen entscheidenden Vorteil: Kontakte zu bestehenden Sponsoren. Zudem gilt, je mehr Mitglieder, desto größer die Netzwerkeffekte zwischen den Mitgliedern, wodurch sich bestimmte Leistungen kostenlos oder günstiger erzielen lassen.(Sozialkapital, Bordieu, 1986). Beispielsweise könnte mit zunehmender Mitgliederzahl die Chance steigen, dass unter den anderen Mitgliedern ein professioneller Fotograf ist, welcher für euch kostenlos oder billiger Mannschaftsfotos machen kann. Weiterhin ist es einfacher bestehende Sponsoren zu einem zusätzlichen Engagement im Futsal (z.B. Hauptsponsor für die Basketball- und Futsal-Mannschaft) zu bewegen, als Sponsoren von einem reinen Investment in den Futsal-Sport zu überzeugen. Letzteres ist besonders dadurch erschwert, dass der Futsal-Sport noch recht unbekannt ist. Je bekannter der aufnehmende Verein ist, desto einfacher könnte daher die Akquise von neuen Sponsoren (nur für die Futsal-Abteilung) sein, da der Vereinsname alleine überzeugt und das Defizit der „Sportartunbekanntheit“ zu Teilen ausgleichen kann. Aus diesem Punkt empfiehlt sich eine Eingliederung in überregional bekannte Vereine. Größere Clubs mit größerer Bekanntheit locken zudem leichter neue Mitglieder und Freiwillige an (Koski, 1995; Wicker & Breuer, 2013). Oftmals bei Vereinsgründung nicht bedacht, sind öffentliche Subventionen und Unterstützungen. In dieser Hinsicht ist erwiesen, dass je mehr Mitglieder ein Club besitzt, desto eher werden öffentlich Mittel vergeben (Breuer & Wicker, 2009). Daher spielen aus Sicht des aufnehmenden Vereins die zusätzlichen Mitglieder und Mitgliedsbeiträge die zentrale Rolle bei Entscheidung, einen anderen Club aufzunehmen.

Strukturelle Faktoren

Eines der Hauptproblem von neuen Futsal-Vereinen ist (vorwiegend in Großstädten) die Vergabe von passenden Hallenzeiten. Hallenzeiten werden selten neu verteilt. So ist die Kapazitätsausnutzung durch alteingesessene Vereine oft ineffizient, da ungenutzte Hallenzeiten nicht abgegeben werden. Mit Blick auf eine Eingliederung eines Futsal-Vereins, können womöglich vorhandene Hallenzeiten genutzt werden. Der aufnehmende Verein wiederum steigert seine Hallenbelegungseffizienz. Dabei sollten Vereine mit dem Schwerpunkt Hallensportarten bevorzugt werden – ein reiner Fußballverein ist aus diesem Grund nicht zu empfehlen (ein Geheim-Tipp sind Turnvereine, da diese zahlreiche Hallenzeiten besitzen und kein Konkurrenzpotential zum Futsal-Sport besteht). Auch mit Sicht auf Hallenzeiten, sollte ein großer, überregional bekannter Verein gesucht werden, da diese mehr „Verhandlungsmacht“ und mehr Kontakte (Sozialkapital, Bordieu, 1986) besitzen, um neue Hallenzeiten zu bekommen. Andere strukturelle Vorteile ergeben sich durch die Übernahme von strukturierten Prozessen (Mitgliedsaufnahme, Buchungen, Kostenabrechnung), administrativen Systemen (Abrechnung, Mitgliedsbeiträge, Versicherung, Homepage-Server) und anderen bestehenden Infrastrukturen durch Nutzungsverträgen (z.B. Fahrzeuge, Fitness-Studio) (Amis & Slack, 1996). Über etablierte, interne Informationssysteme (Schwarzes Brett, Homepage Infos) lassen sich zudem aktuelle Futsal-Events besser verbreiten und erreichen vielleicht doch den einen oder anderen Sportler einer anderen Abteilung als Zuschauer. Bestehende „Handelsvereinbarungen“ mit Sportartikelherstellern oder Sportgeschäften generieren nebenbei finanzielle Vorteile, da bei Mannschaftsausstattungen und Trainingsmaterial gespart werden kann. Diese sind wiederum umso größer, je mehr Mitglieder (Kunden für die Sportgeschäfte) der aufnehmende Club hat. Nicht zu unterschätzen, ist zudem der Rückgriff auf deine bestehende Corporate Identity – also alles was mit der Vermarktung verbunden ist (Namen, Logo, Anzüge, Briefkopf, Homepage). Dies erspart jede Menge Arbeit zu Beginn, wenn sich vorwiegend auf das Sportliche konzentriert werden sollte. Hinsichtlich der Clubatmosphäre könnte es auch nicht unerheblich sein, einen zentralen Anlaufpunkt (Vereinsheim) zu haben, in welchem Mannschaftsabende stattfinden und die Auszeichnungen vergangener Turniere ausgestellt werden können. Da Futsal-Vereine auf existierende Hallen angewiesen sind, ist es schwer als reiner, junger Futsal-Verein derartige Strukturen zu schaffen.

Personelle Faktoren

In diesem Punkt können administrative von sportlichen Personalressourcen unterschieden werden. Hinsichtlich der Administration, sind bei den meisten von euch sicherlich wenig Kenntnisse über Vereinsführung und Rechnungswesen vorhanden. In den meisten großen Vereinen gibt es dafür fest eingestellte oder langjährig freiwillig engagierte Personen die euch diesen (wohl eher unangenehmeren) Teil abnehmen. Auch anderes Fachwissen wie Physiotherapie, Trainerausbildung, Homepagepflege, Social Media, Sponsoring ist elementar, jedoch schwierig in einem jungen Verein mit wenig Mitgliedern aufzubauen. Positive Effekte für sportliche Personalressourcen sind vor allem aus der Bekanntheit des aufnehmenden Vereins zu erhoffen. Wer spielt nicht lieber bei Hertha BSC Futsal, Eintracht Frankfurt Futsal oder Bayer Uerdingen Futsal als bei „Waldundwiesen Futal Pandas“? Bei einer Eingliederung in einen Fußball-Verein könnte vor allem auf junges Spielerpotenzial (Jugendfußballmannschaften) zurückgegriffen werden. In diesem Punkt wäre die Eingliederung in einen reinen Fußballverein wiederrum förderlich.

Probleme

Nach all den aufgezeigten Vorteilen einer Eingliederung, fragt Ihr euch sicherlich, wo da der Hacken ist. Ganz klar, wenn Ihr 15 Freunden seit, die gerne Futsal kicken wollen, sollte es nur Vorteile geben. Sobald Ihr jedoch mitbestimmen und umgestalten wollt, werdet Ihr bald an die Grenzen der aufnehmenden Vereinsführung stoßen. Diese erhofft sich von euch vor allem zwei Dinge: Mitglieder für Mitgliedsbeiträge und zum anderen keine Probleme. Zudem erhöhen sich Eure Transaktionskosten (Zeitaufwand), sobald Ihr auf vorhandene Strukturen zugreifen wollt: Antrag stellen, Rücksprache, Anpassung…. In einem kleinen Verein lassen sich Entscheidungen schneller und direkter lösen. Ziemlich problematisch könnte es bei einer Führung ala „Warum verändern – das alte funktioniert doch?“ stoßt. Innovative Vermarktung der Futsal-Mannschaft und Neuerungen werden dann schwierig. Um diese Probleme zu reduzieren, sollte beim Zusammenschluss vor allem auf die Eingliederung als eigenständige Abteilung mit entsprechenden Handlungsrechten bestanden werden. Zum anderen sollte mit der gegenüberliegende Vereinsführung hohe Sympathie bestehen und auf offenen Umgang mit der Sportart Futsal bestanden werden. Des Weiteren haben Studien gezeigt, dass steigende Clubgröße durchaus zu sinkender „Clubstimmung“ und Club-Identifizierung führen kann (Koski, 1995). Die Fusion mit einem reinem Fußballverein liegt aufgrund der Sportartengleicheit vielleicht nahe und schafft durchaus kurzfristige Synergien. Jedoch sind viele Fußballvereine noch skeptisch gegenüber Futsal und würden es mit der Zeit nicht gerne sehen, wenn zu viele Spieler aus dem Jugendbereich zum Futsal statt in die Herren-Fußball-Mannschaften wechseln.

Resümee

Eingliedern – ja oder nein??? In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Futsal-Vereine in Deutschland kaum 5 Jahre alt sind, ist die Frage mit einem absoluten JA zu beantworten. Dabei sollten jedoch große, überregionale Mehrspartenclubs angesprochen werden. Wenige Vereine haben sich bereits administrative Strukturen und eine „Marke“ im Futsal aufgebaut (UFC Münster), welche bereits jetzt eine Stärke besitzt. Für einen Großteil der bestehenden Vereine sollte daher eine Eingliederung in einen größeren, bekannteren nicht zu skeptisch gegenübergestanden werden. Auch als Abteilungsleiter hat man noch die Zügel in der Hand. Auch lassen sich schöne Synergien in der Vermarktung schaffen, um den Namen des tragenden Vereins herauszustellen, sich aber klar als separate Futsal-Sparte herauszustellen (z.B. Bonner SC Futsal Lions). Für Neugründungen kann in jedem Fall die Eingliederung empfohlen werden, da gerade zu Beginn der Gründung zahlreiche Kosten (Gründungskosten, Aufbau Clubführung) vermieden werden. Für alle Fälle gilt: gegen eine spätere Ausgliederung in einen eigenen Verein – wenn die Einschränkungen zu groß werden – spricht nichts. Dann können Wissen und Kontakte mitgenommen werden. Der Verlust des Clubnamens dürfte jedoch schwierig zu kompensieren sein. Mit Sicht auf die Wirkung (Vermarktung, Spielerpotenzial), sollten so bald wie möglich die großen deutschen Sportclubs (bisher z.B. Hertha BSC, Eintracht Frankfurt, Bonner SC, Bayer Uerdingen, Darmstadt 98, Tennis Borussia Berlin) angefragt werden. Dann könnte der Futsal einen weitere „Kick“ bekommen, den unser Sport verdient.

Welche Erfahrungen habt Ihr mit der Eingliederung eurer Futsal-Mannschaft in einen bestehenden Verein gemacht?

Amis, J., & Slack, T. (1996). The size-structure relationship in voluntary sport organizations. Journal of Sport Management, 10(1), 76-86.

Bourdieu, P. (1986). Forms of Capital. John G. Richardson (ed.), Handbook of Theory and Research for the Sociology of Education, 241-258, Greenwood, New York.

Breuer, C., & Wicker, P. (2009). Sports clubs in Germany. In C. Breuer (Ed.), Sport Development Report 2007/2008. Analysis of the sports clubs‘ situation in Germany. Abbreviated Version (pp. 5-50). Cologne: Sportverlag Strauß.

HSB (2014). Kosten die bei einer Vereinsgründung entstehen. Hamburger Sportbund. Abgerufen auf: http://www.hamburger-sportbund.de/resourcen/0034/Merkblatt_Kosten_Vereinsgruendung.pdf

Panzar, J. C., & Willig, R. D. (1981). Economies of scope. The American Economic Review, 71(2), 268-272.

Wicker, P., & Breuer, C. (2013a). Exploring the critical determinants of organisational problems using Data Mining techniques: Evidence from non-profit sports clubs in Germany. Managing Leisure, 18(2), 118-134.

Wicker, P., Breuer, C., Lamprechtm M., & Fisher, A. (2013). Does Club Size Matter? An Examination of Economies of Scale, Economies of Scope, and Organizational Problems. Manuscript for publication in Journal of Sport Management.

Koski, P. (1995). Organizational effectiveness of Finnish sports clubs. Journal of Sport Management, 9, 85-95.

2 Kommentare

  1. Bünyamin · · Antworten

    Gut, dass es den Text Anfang 2007 noch nicht gab. Sonst gaebe es heute wohl kein „Furious Futsal Mönchengladbach e.V.“ 😀

  2. […] Da Futsal eine Unterdisziplin des Großfeldfußballs dargestellt, ist anzunehmen, dass große und finanzstarke (im Verhältnis zu den Budgets im Futsal darf wohl nahezu jeder Fußballclub ab Kreisliga als finanzstark eingeschätzt werden) Fußballvereine mit professionellen Teams (Regionalliga und höher) größeres Medien- und Zuschauerinteresse wecken dürften (z.B. HSV Futsal vs. St. Pauli Futsal). Zudem bieten große Vereine vorgegebene Strukturen, weshalb wir bereits vor einiger Zeit zu dem Ergebnis kamen, dass eine Abteilungsgründung in einem bestehenden Verein einer Vereinsgründung vorzuziehen ist (https://misterfutsal.de/2014/01/19/neugrundung-vs-abteilungsgrundung-im-futsal/). […]

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