von Futsaleconomist
MF: Hallo Wendelin, vielen Dank, dass Du Mister Futsal Rede und Antwort stehst.
WK: Hallo Mister Futsal, hallo Futsaleconomist, vielen Dank, dass Ihr mich ausgewählt habt. Gerne unterstütze ich Euch bei Eurer Berichterstattung.
MF: Du hattest die letzten Monate ja viel um die Ohren: Co-Trainer der Nationalmannschaft, Verbandsauswahltrainer und Trainer beim UFC Münster. Bleibt da eigentlich noch Zeit selbst an den Futsalball zu treten, denn altersmäßig könntest Du ja noch einmal in der WFLV angreifen?
WK: Beim UFC Münster agiere ich ja noch immer als Spielertrainer, daher trainiere ich auch selbst drei Mal die Woche. Vor der Saison wollte ich eigentlich die Schuhe an den Nagel hängen und mich auf den Job als Trainer konzentrieren, durch die vielen Abgänge ist uns jedoch eine Menge Qualität und Erfahrung verloren gegangen. Im Nachhinein war die Entscheidung, weiter zu spielen, gar nicht so schlecht, da ich mich so gut wie noch nie fühle. 29 Scorerpunkte und mehr als 650 Spielminuten in einer der stärksten Ligen Deutschlands sind wahrscheinlich auch nicht ganz so verkehrt. Mal schauen, wie lange meine Füße mich noch tragen.
MF: Was beschäftigt Dich im Alltag außerhalb des „Futsal-Business“ – was treibt der „Privatmensch“ Kemper?
WK: Der Privatmensch Kemper interessiert sich für Fotografie, hört immer und überall Musik, verbringt viel Zeit mit seiner Freundin und seinen Freunden und spielt oder schaut so viel Sport wie möglich.
MF: Warum fasziniert dich Futsal und was hat dich zum Futsal gebracht bzw. was hast Du vor dem Futsal gemacht?
WK: Futsal ist eine der physisch und psychisch anspruchsvollsten Sportart, die ich je kennenlernen durfte. Du musst durchgehend konzentriert sein, viel taktisches Spielverständnis mitbringen, immer schnelle und richtige Entscheidungen treffen und zusätzlich noch technisch versiert sein. Die Spannung, die vielen Zweikämpfe, das hohe Tempo sowie die vielen Tore machen diesen Sport einfach einmalig. Zum Futsal hat mich damals ein guter Freund und ehemaliger Mannschaftskollege gebracht. Er hat mich einfach mal zum Training mitgenommen und ich war direkt fasziniert und infiziert. Zuvor habe ich in meinem Heimatverein unterklassig Fußball gespielt.
MF: Du hast den deutschen Futsal in der Pionierzeit mit dem UFC geprägt. Was hat sich seit deinen Anfangszeiten beim UFC Münster am stärksten in Futsaldeutschland verändert?
WK: Die Wahrnehmung der Sportart hat sich am stärksten verändert. Wenn du früher in Deutschland gesagt hast, dass du Futsal spielst, wussten die wenigsten, was das überhaupt bedeutet oder ist. Mittlerweile ist Futsal vielen Menschen, auch Nicht-Fußballern, ein Begriff. Des Weiteren ist das spielerische Niveau der Teams hierzulande deutlich angestiegen, auch wenn taktisch noch sehr viel Luft nach oben besteht.
MF: Eines deiner persönlich größten Schritte war und ist sicherlich die Futsal-Nationalmannschaft. Wie kam es zum Engagement?
WK: Im vergangenen Jahr haben wir mit der Westfalenauswahl um den Titel beim Landesauswahlturnier gespielt. Unglücklicherweise litt ich zu dem Zeitpunkt an einer Sprunggelenk-Verletzung, weshalb ich selbst nicht spielen konnte. Da wir allerdings wohl sehr anschaulichen und taktisch hochwertigen Futsal gezeigt haben müssen, rief mich Paul Schomann im Anschluss an das Turnier an und fragte, ob ich mir vorstellen könne, ihn als Assistent zu unterstützen. Wenn der Nationaltrainer anruft, zögerst du natürlich nicht lange, auch wenn mein großer Traum immer war, selber mal das Trikot überzustreifen. Da ich mittlerweile jedoch nicht mehr der Jüngste bin und sich meine Mitspieler ohnehin über meine Spielweise und Tore lustig machen – beim UFC werde ich nur Gomez genannt – war die Entscheidung, fortan zu coachen, sicher die richtige.
MF: Das Highlight bisher war das Spiel gegen Georgien. Wie würdest Du die vergangenen Entwicklungen der DFB-Fünf und insbesondere das Freundschaftsspiel gegen Georgien kommentieren?
WK: Als sehr gelungen. Wir haben aus einem Pool von mehr als 50 starken Spielern die aus unserer Sicht 16 besten Spieler selektiert. Die Schwierigkeit bestand darin, eine gesunde Mischung zu finden, sowohl was Futsalerfahrung als auch spielerische Klasse anbelangt. Als Grundlage diente der Ländervergleich, was auch so im Vorfeld ganz klar kommuniziert wurde. Der ein oder andere konnte dennoch auch durch die Deutsche Meisterschaft auf sich aufmerksam machen und wird im folgenden Lehrgang ebenfalls berücksichtigt.
Das Spiel gegen Georgien hat uns ganz klare erste Erkenntnisse beschert, sowohl positive als auch negative. Auf diesen Eindrücken lässt sich aufbauen und ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit den entsprechenden Rückschlüssen beim ersten offiziellen Spiel gegen England einen weiteren Schritt nach vorne machen.
MF: Etwas verwirrt waren wir alle durch die offizielle Titulierung des Freundschaftsspiels gegen Georgien. Die Georgen definierten es als offizielles Freundschaftsspiel – der DFB hingegen als „Trainingsspiel“. Warum hat der DFB an dieser Stelle für Verwirrung gesorgt?
WK: Der DFB hat nicht für Verwirrung gesorgt. Es war klar kommuniziert, dass wir ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen wollten. Wir wollten erst mal für uns eine Standortbestimmung ermitteln, ohne von anderen (und der eigenen) Nation(en) bewertet oder gesehen zu werden. Da jedoch einer ihrer Spieler sein letztes Spiel bestritt, wurde er gebührend verabschiedet und den beiden Spielen ein entsprechender Rahmen geschaffen. Im Nachhinein waren die Umstände für unsere Spieler sicher Gold wert, denn die Atmosphäre vor gut 500 Zuschauern in der Halle, das mediale Interesse und ganze Drumherum sorgte ebenfalls dafür, dass sich alle weiterentwickelt haben.
MF: Welches sind die drei größten Unterschiede zwischen einem Posten als Vereinstrainer und einem Auswahltrainer?
WK: Der größte Unterschied liegt in der Arbeit selbst. Als Vereinstrainer musst du in jeder Trainingseinheit neue Reize setzen, um die Spieler weiterzuentwickeln, aber auch bei Laune zu halten und die Motivation nicht abflachen zu lassen. In einer Auswahlmannschaft scharren alle mit den Hufen, weshalb die Motivation nur sekundär angeregt werden muss. Du kannst dich also mehr auf die reine Vermittlung von Inhalten konzentrieren.
Ein wesentlicher Unterschied liegt auch in der Schaffung einer Atmosphäre. Die Spannung und den Teamspirit in einer Vereinsmannschaft über eine komplette Saison aufrecht zu erhalten, ist wesentlich anspruchsvoller als in einem Lehrgang.
Zu guter Letzt ist der Draht zu deinen Spielern ein anderer. Ich versuche zwar auch immer in Auswahlmannschaften eine persönliche und freundschaftliche Verbindung aufzubauen, jedoch lernst du zwangsläufig im Vereinsleben deine Spieler viel besser kennen und erhältst Eindrücke, was den privaten Menschen beschäftigt, bedrückt oder erheitert.
MF: Du sitzt natürlich direkt an der Quelle und Futsaldeutschland brennt es unter den Fingernägeln: Wie geht es mit der DFB-Auswahl weiter? Gerüchte um einen externen Trainer, weitere Sichtungslehrgänge und Testspielgegner kommen auf. Kannst Du da was aus dem Nähkästchen plaudern?
WK: Im September und Oktober folgen die beiden nächsten Sichtungs-Lehrgänge. Am 30.10. und 01.11. finden dann die ersten beiden offiziellen Länderspiele statt. Zwei weitere Lehrgänge im November und Dezember sollen für den letzten Schliff sorgen, um im Januar 2017 eine erfolgreiche Qualifikation zu spielen. Wie der Erfolg dann definiert wird, hängt sicher zum großen Teil von der Auslosung der Gruppen ab.
MF: Die Nationalmannschaft ist erst ein Mosaiksteinchen des großen Futsalfreskos, um den Futsal auch in ganz Deutschland tragbar zu machen. Welche drei Schritte sind aus deiner Sicht in den nächsten drei Jahren wichtig, um den Sport weiter zu verbreiten?
WK: Es muss sich dringend etwas an dem Modus der Deutschen Meisterschaft und/oder den Strukturen der Ligen ändern. Bleibt der bisherige Modus gleich, muss zwingend ein Hin- und Rückspiel eingeführt werden. Einerseits entscheidet dann nicht nur die Tagesform über das Weiterkommen, andererseits widerfährt die Sportart eine größere Wahrnehmung und wird auch in Teilen des Landes ausgetragen, in denen Futsal vielleicht nicht so häufig praktiziert wird.
Noch lieber wäre mir jedoch, dass eine einheitliche Bundesliga eingeführt werden würde. Und wenn sie in Bundesliga-Nord und Bundesliga-Süd unterteilt ist – Hauptsache das Niveau steigt und Spieler bekommen mehr Anreize, sich auf Top-Niveau messen zu können. Futsal-Bundesliga hört sich ja alleine schon besser an als Fußball-Oberliga.
MF: Mal für alle Futsal-Trainer-Anfänger da draußen: welche drei Basics sollten zuerst mit einem Fußballspieler trainiert werden, wenn dieser mit Futsal im Seniorenalter beginnt?
WK: Technik, Technik, Technik. Du kannst die schlausten und taktisch intelligentesten Spieler haben – wer einen Ball nicht richtig stoppen, passen oder behaupten kann, wird nie ein guter Futsaler. Natürlich gibt es auch beim Futsal Ausnahmen und bspw. knallharte, technisch unbeschlagene Verteidiger, allerdings wird das Spiel technisch zunehmend anspruchsvoller, weshalb Taktik ohne Technik sehr schwierig zu vermitteln ist. Gerade die futsalspezifischen Techniken (Sohlenstopp, Lupfer, …), aber auch die futsalspezifischen Bewegungen (Finte, Auftaktbewegung, Körpertäuschung, …) sollten daher zu Beginn einer Futsalkarriere im Fokus der Aufmerksamkeit liegen.
MF: Welches sind deine Spieler und Trainer Futsal-Vorbilder?
WK: Richtige Vorbilder habe ich nicht. Ich mag die quirlige Spielweise von Miguelín, aber auch den bulligen Pivot Fernandão. Robinho imponiert mir mit seiner unglaublichen Technik. Abramov bei der Studenten-Weltmeisterschaft 2013 in Málaga live zu sehen, war ebenfalls der Wahnsinn, von Ricardinho bei der diesjährigen Europameisterschaft ganz zu schweigen. Generell mag ich es, wenn Spieler technisch stark sind und dennoch eine super Rückwärtsbewegung haben. Wer nach einem Ballverlust stehen bleibt, wird es unter mir als Trainer schwierig haben.
Als Trainer mag ich Cacau von Kasachstan, López von den Spaniern, ich mag aber auch, wie Mićo Matić mit den Finnen arbeitet. Ich versuche, von allen Spielern und Trainern die für mich besten Eigenschaften auszuwählen und meine eigene Trainer- und Spielerpersönlichkeit zu schaffen – ich denke, dass ich damit ganz gut fahre.
MF: Wo siehst Du den deutschen Futsal und besonders die deutsche Futsalnationalmannschaft in 5 Jahren?
WK: Den deutschen Futsal auf dem Vormarsch und die Nationalmannschaft nicht mehr auf dem letzten Platz der Rangliste… 😉
MF: Vielen Dank Wendelin und noch alles Gute in den kommenden Monaten und Jahren in Münster, Westfalen und der DFB-Fünf!
WK: Vielen lieben Dank, auch Euch weiterhin ein gutes Gelingen.
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