Mister Futsal: Hallo Timo! Vielen Dank, dass Du dir für Mister Futsal ein paar Minuten Zeit nimmst, besonders da der Andrang auf Dich – als Teil der ersten Futsalnationalmannschaft – nun sicherlich groß ist.
Timo Heinze: Sehr gerne. Ich habe darüber hinaus das Problem, dass ich einige Sachen in der Uni nachholen muss, die ich aufgrund unserer Reise verpasst habe. Aber für Euch findet sich natürlich immer Zeit.
MF: Das Spiel gegen Georgien ist noch nicht lange her. Wie fühlt es sich an, wenn man an etwas Historischem teilhaben konnte?
TH: In erster Linie sehr befriedigend. Wir haben alle sehr lange auf den Moment einer formierten Nationalmannschaft gewartet. Dann endlich mit dem DFB-Trikot auf der Platte zu stehen war einfach die pure Freude. So richtig greifbar für alle wird es aber dann ja erst beim ersten offiziellen Länderspiel Ende Oktober.
MF: Einige der Jungs schienen mit der Nationalhymne noch etwas überfordert bzw. überwältigt. Der Sprung von Amateur zum Nationalspieler ist ersichtlich groß. Was denkst Du, jetzt nach Auswahllehrgängen und dem Spielergebnis, über das Projekt Futsalnationalmannschaft?
TH: Hat sich jemand versungen oder was meint ihr? Ich für meinen Teil habe den Moment jedenfalls trotz der Anspannung vor dem Spiel sehr genossen. Ich stehe dem Ganzen zu 100% positiv gegenüber. Es ist doch das Normalste der Welt, dass wir in der ersten Zeit Lehrgeld zahlen und auch mal unter die Räder kommen werden. Unser Gegner Georgien gehört zwar „nur“ zu einem internationalen Mittelklasse-Team. Aber ihre Nationalmannschaft besteht seit zwanzig Jahren, unsere seit nun zwei Spielen. Dafür haben wir es sehr ordentlich gemacht und besonders in der zweiten Partie war deutlich mehr drin. Wichtig ist, dass es jetzt endlich so richtig losging. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns in den nächsten Jahren sukzessive steigern werden und die Entwicklung des deutschen Futsals im Allgemeinen deutlich an Fahrt aufnehmen wird.
MF: Du und Lennart Hartmann habt eine optimale Fußballausbildung genossen. Was sind in deinen Augen die drei größten Unterschiede zwischen Futsal und Fußball?
TH: Das ist gar nicht so leicht, auf so wenige Punkte herunter zu brechen. Aus Spielersicht beginnt das allein schon mit einer anderen körperlichen Belastung. Diese ist beim Futsal wesentlich intensiver und schnellkräftiger angelegt, dafür aufgrund der fliegenden Wechsel natürlich wesentlich kürzer. Als zweites hast du beim Futsal noch weniger Zeit und Raum als auf dem Rasen und musst mit den Füßen – vor allem aber dem Kopf – extrem schnelle Entscheidungen treffen. Als letzten Hauptunterschied noch die Vielseitigkeit. Beim Futsal musst du offensiv und defensiv möglichst viel drauf haben, du bist quasi als Allrounder gefragt. Alles andere fällt sofort auf, da du permanent in Aktion bist und dich nicht mal eben verstecken kannst bei lediglich vier Feldspielern.
MF: Was fehlt aus deiner Sicht der Futsalnationalmannschaft beziehungsweise was könnte von Verbandsseite innerhalb der nächsten Jahre nachgebessert werden?
TH: Stand jetzt fehlt uns von allem etwas. Aber wie bereits erwähnt, alles andere wäre auch ein Wunder, denn wir haben gerade erst begonnen. In Deutschland ist Futsal nun mal noch nicht so etabliert wie in weiten Teilen der Erde. Noch fließt hierzulande kein Geld in diesem Sport, noch sind wir alle Amateursportler, die zu wenig trainieren können, um zur Weltspitze mit ihren Profis aufzuschließen. Alle unsere Nationalspieler sind Studenten oder ganz normale Arbeitnehmer. Das alles wird sich erst in jahrelanger Entwicklung professionalisieren können. Aber der DFB scheint nun die Attraktivität dieses wunderbaren Sports erkannt zu haben und zu fördern. Wir alle in der Nationalmannschaft sind sehr stolz, dass wir den Anfang dieser Entwicklung miterleben und den Ball im wahrsten Sinne ins Rollen bringen können.
MF: Gibt es Spieler, die Dir in der Nationalmannschaft fehlen?
TH: Ich würde mir gerne von den Spaniern ein paar klauen. Im Ernst, das Trainerteam hat bisher im Großen und Ganzen eine sehr gute Wahl getroffen, denke ich. Persönlich schade finde ich aber, dass Benny Sahel länger beruflich im Ausland weilt und nicht dabei ist, denn wir sind befreundet und waren sonst Zimmerkollegen.
MF: Wer ist in der Nationalmannschaft deine engste Kontaktperson und wer bringt das Team zum Lachen?
TH: Das sind mehrere und ich tue mir schwer, da einen herauszuheben. So abgedroschen das klingen mag, aber wir verstehen uns wirklich alle sehr gut, von Grüppchenbildung ist da nicht viel zu sehen. Und wenn es dann mal zu ernst werden könnte, haben wir Durim Elezi aus Berlin, der haut ständig irgendeinen Spruch raus.
MF: Nun mal weg von der Nationalmannschaft. Wer ist der Futsalkämpfer Timo Heinze eigentlich? Wo kommst Du her, was machst Du gerade beruflich, wie bist zum Futsal gekommen und welche waren deine bisherigen Futsalstationen?
TH: Ich bin waschechter und stolzer Bayer, aber nach Beendigung meiner Profi-Fußballkarriere von München nach Köln gezogen und habe an der Sporthochschule studiert. Hier kam ich auch 2010 zum ersten Mal mit dem Futsal in Kontakt und seitdem auch nicht mehr von ihm los. Meine erste Saison habe ich bei den Futsal Panthers Köln gespielt, dazwischen drei Jahre für Bayer Uerdingen, und inzwischen bin ich wieder zu den Panthers „heimgekehrt“. Nach dem Abschluss meines Sportstudiums studiere ich aktuell Psychologie. Ich möchte Sportpsychologe werden, da ich das für ein sehr spannendes Feld mit viel Potenzial halte. Wohnhaft bin ich weiterhin in Köln und fühle mich hier extrem wohl, die rheinländische Mentalität liegt mir.
MF: In welchem Bereich hat sich in Futsal-Deutschland seit deinem „Einstieg“ am meisten und in welchem Bereich zu wenig entwickelt?
TH: Zu wenig sicherlich in der öffentlichen Aufmerksamkeit, auch wenn sich das aktuell deutlich verbessert. Der Sport hätte da noch wesentlich mehr verdient, denn er ist auch für die Zuschauer enorm attraktiv. Auch in der Nachwuchsarbeit muss noch einiges passieren. Ansonsten ist aber das Niveau in den Jahren deutlich gestiegen. Ich kann natürlich nur für unsere WFLV-Liga in Nordrhein-Westfalen sprechen, aber die war wohl noch nie so ausgeglichen besetzt wie heute. Und auch wenn das als Spieler nicht immer ganz leicht fällt, muss ich im Großen und Ganzen auch mal die Entwicklung unserer heißgeliebten Schiedsrichter loben. Als ich angefangen habe, galt zum Beispiel jede noch so saubere Grätsche fast schon als Mordanschlag. Da hat sich generell schon eine Menge getan.
MF: Welche Art von Trainingsübungen würdest Du einem Einsteiger in das Futsalgeschäft empfehlen?
TH: Generell würde ich mit der Ballgewöhnung beginnen, also bei der Annahme mit der Sohle, Lupfer spielen zusätzlich zu normalen Flachpässen, etc. Das ist ja zunächst mal die größte Umstellung zum gewöhnlichen Fußball, lässt sich aber dafür auch viel schneller als gedacht erlernen. Danach würde ich aber auch schon mit den ersten ganz grundlegenden Taktiken und Rotationen beginnen, um gleich mal ein wenig den Kopf einzuschalten. Futsal geht nun mal weit über das einfache „Zocken“ hinaus.
MF: Welche zwei Spieler sind deine Futsalvorbilder?
TH: Direkte Vorbilder habe ich nicht, ich halte auch nichts davon, einen Spieler kopieren zu wollen. Aber ich versuche mir natürlich bei jedem Spiel etwas abzuschauen, die letzte EM war da Anschauungsunterricht pur. Und um trotzdem mal zwei Namen zu nennen: Miguelin von Spanien und Abramov von den Russen halte ich vielleicht nicht für die sofort auffälligsten, dafür aber sehr vielseitigen Spieler, bei denen es sich lohnt, etwas genauer hinzuschauen.
MF: Wo siehst Du den deutschen Futsal und besonders die deutsche Futsalnationalmannschaft in 5 Jahren?
TH: Definitiv noch nicht in der Weltspitze, aber in allen Belangen einen gewaltigen Schritt weiter als heute.
Vielen Dank Timo und noch alles Gute auf deinem kommenden und sicherlich spannenden Futsalweg!