Es war ein wahrhaftig epischer Abend. Im Spiel um die deutsche Meisterschaft 2015 trafen die Holzpfosten aus Schwerte in Hagen vor einer fantastischen Kulisse in der ENERVIE Arena mit annähernd 2000 enthusiastischen Futsalfans auf die Hamburg Panthers. Nie zuvor wurde auf deutschem Boden vor so einer gewaltigen Kulisse gespielt. Die Rahmenbedingungen für ein perfektes Finale waren mehr als gegeben. Spätestens nach der Einlaufzeremonie war allen Anwesenden klar, dass der Futsal bereit ist, den nächsten Schritt zu machen.
Vor dem Spiel – Die Ruhe vor dem Sturm
Vor dem Spiel waren die Spieler und Verantwortlichen beider Teams überraschend entspannt. Matthias Bongartz von den Holzpfosten Schwerte freute sich auf dieses finale Duell: „Es gibt nichts schöneres als vor 2000 Leuten seinem Hobby nachzugehen und dabei noch nach der Krone zu greifen.“ Der gebürtige Gladbacher, der vor eineinhalb Jahren kurz davor stand, auf Grund einer schweren Knieverletzung seine Karriere zu beenden, hat sich in seinem ersten Jahr bei den Holzpfosten zu einem der entscheidendsten Spieler entwickelt.
Auf der andere Seite deutete Onur Ulusoy (Hamburg Panthers) an, dass alles andere außer einem Sieg eine Enttäuschung für die Hanseaten wäre: „Wir müssen gewinnen, dafür sind wir hier. Alles andere wäre eine Enttäuschung. Wir sind individuell besser und werden versuchen, genau da unseren Vorteil draus zu ziehen.“
Bernd Barutta, Abteilungsleiter des Bereichs Amateurfussball beim DFB, freute sich vor dem Spiel auf die professionellen Rahmenbedingungen. Auf die Frage, wer wohl die Nase heute vorne haben könnte, wollte er sich nicht festlegen: „Wir sehen heute wohl Futsal gegen Fußball. Hamburg hat viele starke Fußballer, damit die Physis und Technik. Bei Schwerte ist mehr die Taktik wichtig. Es wird bis zur letzten Sekunde spannend sein.“ Er sollte recht behalten.
Teamkader
Holzpfosten Schwerte: Daniel Otto (1), Oliver Manz (7), Marc Nebgen (8), Constantino Ruggio (9), Stephan Kleine (12), Nils Klems (13), Matthias Bongartz (17), Philip Oldenburg (19), David Graudejus (20), Martin Baumdick (24), Patrick Kulinski (31), Florian Kliegel (39).
Hamburg Panthers: Deniz Altintas (1), Martin Schröder (4), Mohamed Labiadh (5), Maher Mazhoud (6), Michael Meyer (7), Saboor Khalili (8), Erdic Örün (9), Kazim Onur Ulusoy (10), Sascha Enrico de la Cuesta (11), Yalcin Ceylani (13), Onur Saglam (15), Stefan Winkel (16).
Erste Halbzeit – Das Abtasten
In den ersten Minuten merkte man beiden Teams die Bedeutung dieses Finales an. Für die Holzpfosten begannen Kleine (12), Klems (13), Nebgen (8), Bongartz (17) und Otto (1) im Tor. Dagegen schickten die Hamburg zuerst Ulusoy (10), Khalili (8), Meyer (7), Labiadh (5) und Ceylani (13) im Tor auf den blauen Hallenboden. Die Holzpfosten zogen sich schnell tief in die eigene Hälfte zurück und erwarteten die Panthers auf ¼-Feld. Die Hamburger nutzen diese tiefe Staffelung, um sich den ersten Ballbesitz zu sichern und etwas an Sicherheit zu gewinnen. In einem 3-1-System mit sehr flexiblem Pivot versuchten sie in den ersten Minuten mit sehr schnellen Ballstaffeten ein Loch in die Abwehr der Holzpfosten zu reißen. Diese zeigten jedoch, wie über weite Strecken des Spiels, eine defensiv sehr konzentrierte Leistung.
Sobald die Holzpfosten sich den Ball erobern konnten, ging es blitzschnell in den Konter. Nach einem ersten Warnschuß von Ulusoy (10) aus der zweiten Reihe in der zweiten Minute konnte Otto (1) Nils Klems (13) direkt in Szene setzen. Dieses schnelle Umschaltspiel sollte mit einer der Kernelemente des Spiels der Westfalen darstellen, die wie schon gegen Stuttgart im Halbfinale sehr gefährlich bei Standards wurden.
Bis zur siebten Spielminute wiederholten sich die Szenen. Hamburg hatte den Ball und versuchte an den Außenlinien in 1gg1-Situationen zu gelangen, um den Defensivblock der Holzpfosten zu knacken. So konnte sich zum Beispiel Meyer (8) in der siebten Minute mit einem kurzen Antritt am rechten Ala durchsetzen, doch oft fehlte der Mitspieler am zweiten Pfosten, um die Abpraller zu verwerten. Doch nicht alle Hamburger Dribblings waren von Erfolg gekrönt. Oft stimmte die Offensivstruktur der Hanseaten nicht, so dass sie Dribblings ohne Absicherungen vom Fixo oder gegenüberlegenden Ala durchführten. Das Ergebnis waren einige gefährliche Konter der Holzpfosten nach Balleroberungen, die vorerst jedoch nicht zum Erfolg führten.
Ab der zehnten Spielminute begannen die Holzpfosten mehr die Initiative zu übernehmen. Angeführt von Nils Klems (13) auf dem Fixo versuchten die Westfalen schnelle und einfache Angriffe auf das gegnerische Tor zu bringen. Hamburg reagierte mit einem Timeout, um den Spielfluss der Gastgeber zu unterbrechen. Kurze Zeit später sollten die Holzpfosten trotzdem jubeln. In der 14. Spielminute eroberte sich Klems (13) einen Ball in der gegnerischen Hälfte. In einer 3gegen1-Überzahl spielte er den Ball auf Bongartz (17), der Nebgen (8) am zweiten Pfosten anspielte: 1:0 für Schwerte.
Das Tor gab den Hausherren die nötige Sicherheit. Mit Nebgen (8) auf dem Platz konnten die Holzpfosten auch etwas mehr Druck auf die Hamburger ausüben. Die Physis von Nebgen gepaart mit der Pressingintelligenz von Klems (13) führte zu einigen Balleroberungen. Vier Minuten vor der Halbzeit konnte Ruggio (9) genau aus so einer Situation ein 1gg1 mit dem hanseatischen Torhüter Ceylani (13) herausholen, jedoch nicht auf 2:0 erhöhen.
Die Hamburger standen nun unter Zugzwang. Weiterhin suchten sie vorrangig das 1gg1. Durch die tiefe Staffelung der Holzpfosten gelang es ihnen jedoch nicht sehr häufig, Profit aus ihrer taktischen Marschroute zu ziehen. Den Hamburgern fehlte es an Geschwindigkeit bei der Ballzirkulation und Bewegung ohne Ball. Trotzdem kamen einzelne Abschlüsse aufs Tor, so wie zum Beispiel ein Schuss aus 15 Metern von Mazhoud (6), den die Holzpfosten nicht klären konnten. Nach einem großen Durcheinander konnte Schröder (4) den Ball ins Tor bringen: 1:1! Mit diesem Ergebnis gingen die Teams auch in die Kabine.
Zweite Halbzeit – Erst vorsichtig, dann furios.
Die ersten Minuten der zweiten Halbzeit glichen dem Spielverlauf der ersten Halbzeit. Die Holzpfosten erwarteten die Hamburger weiterhin tief. Die Raumdeckung in der Raute wurde situativ durch eine passive Manndeckung angepasst, wenn die Hamburger das 1gg1 tief in der Hälfte der Holzpfosten suchten. Die Partie verlor dadurch etwas an Fahrt. Hamburg fehlte die klare Anspielstation vor dem Tor der Holzpfosten, da sich kein Spieler in der Position des Pivots in Szene setzen konnte. Die Holzpfosten agierten weiterhin passiv, um nicht unnötig in Konter zu rennen. Auf beiden Seiten häuften sich so die teamtaktischen Problemstellungen. Hamburg fehlte die Geschwindigkeit ohne Ball, die Holzpfosten konnten umgekehrt den weiten Weg zum gegnerischen Tor durch ihre tiefe Staffelung kaum überwinden, da sie individualtechnisch im Durchschnitt den Hamburgern unterlegen waren und so nicht die wichtigen Konter setzen konnten.
So passte es zum Spiel, dass ein erneuter Fernschuss eine entscheidende Rolle einnehmen sollte. Nach einer Ecke für die Holzpfosten fasste sich Patrick Kulinski (31) ein Herz und überraschte Ceylani (13) mit einem strammen Schuss aus 15 Metern. 2:1 für die Holzpfosten! Ein intelligenter Abschluss nach der Ecke, da dem Torhüter auf Grund der hohen Anzahl an Spielern im Strafraum bei Eckbällen der Blick auf den Ball oft verwehrt bleibt. Die Hamburger drückten die Holzpfosten nun noch tiefer in die eigene Hälfte. Ulusoy (10) versuchte das Spiel seiner Panthers nun etwas druckvoller nach vorne zu tragen. Er, Meyer (7) und Khalili (8) erspielten sich oft Freiräume, die Labiadh (5) und Mazhoud (6) mit Abschlüssen zu nutzen versuchten.
Was das Spiel bislang an taktisches Finesse zu wünschen übrig ließ, beglichen die letzten drei Minuten der zweiten Halbzeit. In einer absoluten Druckphase konnte Mazhoud (6) am zweiten Pfosten einen freien Ball zum 2:2 verwandeln. Die Hamburger stellten im Anschluss an den Ausgleich ihre Defensive komplett um. Sie versuchten nun, die Holzpfosten schon auf ¾ unter Druck zu setzen. Für ihren Mut wurden sie belohnt. Nach einem Fehler im Aufbau von Nebgen (8) konnte Kapitän Khalili (8) sich den Ball erobern und zu Labiadh (5) quer vor Tor rüberlegen, der den Ball nur noch ins Tor schieben musste: 3:2 Hamburg!
Die Holzpfosten hatten noch 2:20 min, um zu reagieren. Sie schickten Bongartz (17) als Flying Goalkeeper auf das Feld. Als taktische Marschroute wählten sie ein klassisches 3-2 mit Bongartz, Kleine und Klems im Aufbau. Die Gäste versuchten den Flying in einer engen Raute zu verteidigten, machten dabei jedoch den Fehler, nicht als Block zu verschieben. Nils Klems (13) nutzte sofort die Lücke, um Philip Oldenburg (19) am zweiten Pfosten in Szene zu setzen: 3:3 Ausgleich! Die Halle explodierte. Ein letztes Aufbäumen der Hamburger durch Örün (9) parierte Otto (1). Verlängerung im Finale!
Die Verlängerung – Himmel und Hölle
Die Kulisse hatte sich nichts anderes verdient: Verlängerung im Finale. Trotz des Rückschlags versuchten die Hamburger erneut die Initiative zu übernehmen. Ulusoy (10) und Meyer (7) waren die Taktgeber, die weiterhin die entscheidenden 1gg1 Situationen suchten. Den Holzpfosten schienen die Beine langsam müde zu werden, trotzdem setzten sie weiterhin gefährliche Konter. Kurz vor Schluss der ersten Verlängerung spielte Bongartz (17) einen strammen Ball an den zweiten Pfosten, der leider unbesetzt blieb.
Die zweiten fünf Minuten sollten Spektakel ohne taktische Fesseln bieten. Erneut versuchte Hamburg die Holzpfosten tief in die eigene Hälfte zu drängen. Diesmal setzte Meyer zu einem Dribbling an. Auf der Fixoposition etwa 13 Meter vor dem gegnerischen Tor konnte er sich den nötigen Freiraum schaffen, um einen scharfen Schuss an den zweiten Pfosten zu setzen. Dort wartete Mazhoud (6), der den Ball mit der Hacke ins Tor beförderte: 4:3 Hamburg. Die Holzpfosten setzten erneut auf den Flying Goalkeeper, doch ihr Mut sollte nicht belohnt werden. Nach einer Balleroberung konnte Ulusoy (10) ins leere Tor schießen. Kurze Zeit später wiederholte Mazhoud (6) das „Empty-Net“-Tor mit seinem dritten Treffer: 6:3 für Hamburg.
Das Spiel schien entschieden, doch die Holzpfosten konnten vor dieser fantastischen Kulisse nicht aufgeben. Nils Klems erzielte das 6:4 und nur ein paar Sekunden später setzte Oldenburg einen Schuss an den Winkel. Hätte, wäre, wenn, im Gegenzug wurden die Holzpfosten mit dem 7:4 bestraft, dem Endergebnis der Partie.
Fazit – Hamburg gewinnt zum dritten Mal die deutsche Meisterschaft
Hamburg gewinnt mit 7:4 gegen die Holzpfosten aus Schwerte. Über die vollen 50 Nettominuten sicherlich ein gerechter Sieger. Die Hamburger haben mehr in das Spiel investiert und ihre individuelle Klasse optimal eingesetzt. Die Holzpfosten haben versucht, über eine geschlossene Mannschaftsleistung die individualtechnisch besseren Hamburgern in Schach zu halten. Die taktische Marschroute funktionierte über weite Strecken des Spiels, auch wenn dies dazu führte, dass dem Spiel etwas an Geschwindigkeit fehlte. Die etwas beschränkte Ballzirkulation der Hamburger verschärfte diesen Eindruck, trotzdem schafften sie es immer wieder, gefährliche Abschlüsse zu erzielen. Das Spiel hätte sicherlich auch anders ausgehen können, doch solche Spiele entscheiden Kleinigkeiten.
Wir dürfen an dieser Stelle unseren Glückwunsch nach Hamburg richten. Drei Titel in vier Jahren plus zwei Siege beim Landesauswahlturnier sprechen eine deutliche Sprache. Wir sind weiterhin sehr gespannt, wie die Entwicklung des Futsals in der Hansestadt verlaufen wird. Ende dieses Jahres dürfen sie sich erneut auf internationalen Boden beweisen. Wir wünschen viel Erfolg!

Futsal-Deutschland darf sich bei den Holzpfosten bedanken. Fans und Mannschaft sind ein Segen für den Sport.
Wir möchten allerdings auch das Team und die Fans aus Schwerte hervorheben. Was dieser Verein leistet, ist eine Wohltat für unseren Sport. Vor dieser Kulisse darf man nur eins sagen: Danke, dass ihr den Futsal auf eine neue Ebene gehoben habt. Bleibt bitte trotz dieser Niederlage am Ball!
Und nun seid ihr dran. Wart ihr auch beim Finale, wie waren eure Eindrücke?
P.S.: Vielen Dank an Nils Klems, der durch seinen persönlichen Einsatz unserem Blog die Presseakkreditierung ermöglicht hat. Danke!
Ein unvergessliches Ereignis. Habe schon einige Futsalspiele gesehen aber so etwas bei weitem noch nicht. Genau so etwas zeigt uns das Potenzial welches der Futsal in Deutschland hat…