Flying Goalkeeper: Fluch oder Segen?

Der „Flying Goalkeeper“ ist eines der charakteristischen und einzigartigsten Merkmale des Futsals. Und so einzigartig diese Form des spielenden Torhüters im Sport auch ist, so  kontrovers wird die Diskusion aktuell in der Futsalzene geführt. Diese geht so weit, dass eine wahre Futsallegende, der Spanier Javi Rodríguez, kürzlich auf Twitter sagte, dass „wir gerade unseren Sport zerstören“. Doch was meint er eigentlich damit?

Zu erst müssen wir klären, was der Flying Goalkeeper ist und wie er regeltechnisch einzuordnen ist. Die deutsche sowie spanische Übersetzung für den Begriff zeigt wohl am eindeutigsten, was mit dem Flying Goalkeeper gemeint ist: Spielender Torhüter bzw. Portero-Jugador (span. Torhüter-Feldspieler). Es handelt sich um einen Spieler, der für den Torhüter als fünfter Feldspieler eingesetzt wird. Wahlweise kann auch der Torhüter direkt diese Aufgabe übernehmen. Regeltechnisch ist dabei zu beachten, dass für diesen Spieler weiterhin die Regeln des Torhüters gelten. Er darf beim Angriff demanch nur einmal den Ball in der eigenen Hälfte spielen. In der gegnerischen Hälfte ist der „Flying“ ein normaler Feldspieler.

Die Auswirkungen des Flying auf das Spiel sind enorm. Wenn wir uns kurz auf die taktischen Aspekte konzentrieren, bedeutet der Einsatz des fünften Feldspielers eine Überzahl auf dem Feld. Das angreifende Team erhält 25% mehr Spieler auf dem Feld als sein Gegner. Theoretisch sollten sie demnach immer eine Anspielstation in der Offensive besitzen. Aus diesem Grund ziehen sich die Verteidigender oft tief in die eigene Hälfte zurück, um in einer Raumdeckung die Zugäng zum eigenen Tor zu verschließen. Dies scheint der einzige logische Ausweg, die numerische Unterzahl taktisch zu vertedeidigen ist, da der Gegner jederzeit die Räume überladen kann. Verteidigt wird oft in einer klassischen 1-2-1 Staffelung, bei dem die Rollenverteilung der Spieler je nach Ballposition sich so verschiebt, dass der Fixo die äußere Anspielstation abdeckt, falls ein Ball auf den Flügel kommt. So kann von einem asymmetrischen 1-2-1 gesprochen werden, dass kurzfristig auf ein 2-2 zur Bildung der „Strong Side“ übergeht. Hier ein exzellentes Video dazu:

Bis hierhin scheint der Flying eine interessente, wenn auch riskante Variante ohne Torhüter zu sein. Doch was meinte Javi Rodriguez mit seiner Aussage? Um das zu verstehen, sollte der Hintergrund bekannt sein, in der diese Aussage getätigt wurde. Vor einigen Tagen wurde der UEFA Futsal Cup ausgespielt, den der FC Barcelona Alusport für sich entscheiden konnte. Im Halbfinale gegen Araz führte Barcelona jeweils bis kurz vor Schluss. Araz spielte jeweils lange mit dem „Flying Goalkeeper“, um den knappen Rückstand von 3:2 aufzuholen und um die Kontrolle über das Spiel zu erhalten. Doch die Kehrseite des Flying ist die Verleugnung aller großartigen Aspekte des Futsals.jg flying Das Spiel wird langsam, das Spiel steht förmlich. Für den Zuschauer wird jegliche Unterhaltung genommen, da die Geschwindigkeit und technische Vielfältigkeit abhanden kommt. Das Spektakel geht verloren. Futsal verwandelt sich dann zu einem geduldigen Ballgeschiebe, in dem die verteidigende Mannschaft gar nichts anderes machen kann, als tief zu stehen. Javi Rodriguez geht noch einen Schritt weiter und twittert ebenfalls:“Das ist Futsal????“ und „ich verstehe das ein 5gg4 manchmal ein Hilfmittel sein kann, aber das hier ist eine Schande“.

Doch woher kommt dieser Unmut? Diese kontroverse Debatte über den Flying hat in seiner jetzigen Form schon im letzten Jahr Kairat Almaty losgetreten, die quasi den UEFA Futsal Cup per Flying Goalkeeper gewinnen konnten. Der Flying Goalkeeper, der eigentlich als Mittel der Verzweiflung einem Team als taktisches Hilfsmittel für eine Harakiri-Aufholjagd dienen soll, wurde komplett verfremdet. Denn jetzt wird der Einsatz des fünften Feldspieler als eine Art eigenes Spielsystem verwendet, deren einziges Ziel es ist, dass Spiel zu verlangsames. An und für sich ist dies nichts komplett Neues, schon andere Teams haben den Flying in dieser Form eingesetzt. Doch niemand hat dieses System so übermäßig strapaziert wie Kairat.

Denn was Kairat schon im letzten Jahr versuchte, hatte nicht mit einer verzweifelten Aktion zu tun. Denn das System kann während einer Führung oder eines Gleichstandes anders interpretiert werden. Das Team mit fünften Feldspieler kann den Ball in seinem eigenen Reihen sichern, ohne Gefahr zu laufen, dass der Gegner an den Ball kommt. Sollte dieser dennoch Druck ausüben, wird er durch die nummerische Unterzahl konsequent bestraft. Es entwicklet sich eine Teufelsspirale, die das Spiel zum Stehen bringt.

Und genau das zerstört nach Aussage von Javi Rodriguez den Sport. Den aus dem Futsal, der für Geschwindigkeit, gruppentaktischen Bewegungsmustern, Technik und einem spektakulären Hin-und-Her steht, wird langweiliges Ballgeschiebe. Und dabei geht es nicht darum, dass Ballbesitz etwas schlechtes wäre. Hier geht es um den Fall, dass im Futsal der Torhüter extra nur eine Ballberührung hat, um das Spiel nicht zu verschleppen, doch eben dieser konkrete Fall durch den Flying wieder entsteht. Der Flying als eine taktische Variante ist ein fantastisches Mittel, den Sport eine weitere Facette für spannende Aufholjagden zu geben. Doch so wird es eher zum Risiko.

Gibt es eine Lösung für das „futsalzerstörende“ Spielsystem Flying? Bestimmt, doch diese zu finden ist nicht einfach und wohl auch nicht unsere Aufgabe. Vielleicht könnten andere Sportarten Lösungsansätze liefern. Beim Basketball gibt es beispielsweise die 23-Sek-Regel. Sobald der fliegende Torhüter die gegnerische Hälfte betrifft, beginnt die Zeit abzulaufen. Oder eine etwas elegantere Lösung wie beim Handball, bei dem ein Schiedsrichter per Handzeichen einen Abschluss bei Zeitspiel fordert.

Und jetzt seid ihr dran! Wie steht ihr zum Flying? Taktische Variante ja, System nein? Oder meint ihr auch, dass der Flying vielleicht komplett abgeschafft werden sollte? Hatte ihr mal Erfolg mit dem Flying oder setzt ihr ihn nicht ein, weil er zu riskant ist? Schreibt es in die Kommentare!

3 Kommentare

  1. Baron D · · Antworten

    Hängt immer davon ab wie technisch versiert die Spieler sind und Laufwege einstudiert sind, ansonsten ein absoluter Fluch.
    Letztes Wochenende haben unsere Gegner den Flying Goalkeeper eingesetzt und es ging mächtig nachhinten.
    Echt schwere Frage ob man eine Zeitregel einführen müsste oder nicht..
    Im Beispiel in dem Video verzögert es das Spiel und es wird ziemlich langweilig.
    MFG

  2. Rrricardinho · · Antworten

    Ich würde den FG vorerst nicht abschaffen. Für Zuschauer, gerade für Futsalfremde, ist das Überzahlspiel aufregend. Auf Amateurebene geht’s meistens schief, da muss nichts verboten oder reglementiert werden. Die Trainer der Proficlubs könnten mit der Zeit ihre Verteidigung umstellen, vielleicht mit punktuellem Pressing agieren, und über Balleroberungen Torchancen generieren.

  3. „Beim Basketball gibt es beispielsweise die 23-Sek-Regel. Sobald der fliegende Torhüter die gegnerische Hälfte betrifft, beginnt die Zeit abzulaufen.“

    Das ist meines Erachtens nach eine wunderbare Lösung.

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